Katalog „Bonner Eisensteine“

Bonner Eisensteine
(aus: Katalog „Bonner Eisensteine“, Platzgestaltung für das Polizeipräsidium in Bonn-Duisdorf, Düsselstahl Skulptur-Metall, 1994)

Bei der Entwicklung des Konzeptes für die EISENSTEINE bin ich von zwei grundsätzlichen Zielvorgaben ausgegangen:
Die künstlerische Gestaltung sollte sich harmonisch in die räumliche Situation einfügen und dabei denoch klare Akzente setzen, und die Gestaltung des Platzes sollte dazu beitragen, „Schwellenängste“ (vor dem Platz, vor dem Kunstwerk, vor dem Gebäude, vor Institution, die dieses Gebäude beziehen wird) zu vermeiden bzw. sie abzubauen und dadurch die Integration der Institution „Polizei“ in das Wohnumfeld zu fördern.

Die EISENSTEINE sind formal vergleichbar den vorzeitlichen Findlingen: Beide haben eine klare Form, beide sind in ihrer Umgebung wie selbstverständlich vorhanden und beide setzen deutliche, aber organisch in ihre Umgebung integrierte formale Akzente. Die EISENSTEINE nehmen in ihrer Größe, ihrer Form und ihrer Anordnung Bezug auf die Besonderheiten der topografischen Situation und erscheinen als gewachsene, natürliche und in ihrer Präsenz nicht näher erläuterungsbedürftige Bestandteile des Platzes. Sie spiegeln die Rundungen des ansteigenden bzw. abfallenden Geländes, sie halten den Blick fest und leiten ihn weiter, sie fallen auf und sind doch ebenso selbstverständlich einfach vorhanden wie die den Platz dominierende Roßkastanie.

Das Konzept der EISENSTEINE verzichtet bewußt auf alles, was das vorhandene Gelände teilt, einteilt, aufteilt, zergliedert. Der optische Eindruck wird dominiert von einer durch keinerlei Begrenzung verstellten Offenheit. Der Vorplatz zum Haupteingangsbereich ist von überallher zugänglich. Die Treppe, die sich direkt an das Gebäude anfügt, ist so in das Gelände integriert, daß keinerlei Geländer notwendig ist. Der Blick auf das und aus dem Gebäude wird nicht gestört, nicht aufgehalten, nicht abgelenkt, das Gebäude erhebt sich als klare architektonische Einheit aus den organischen Formen des Vorplatzes.

Der Behindertenstellplatz ist so in das Gelände integriert, daß er in der Fahrtrichtung des fließenden Verkehrs befahren und auch wieder verlassen werden kann. Dies ist nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit optimal, sondern der Bewegungsvorgang ist klar, fließend und organisch. Die Fahnenstangen finden ihren Platz im unmittelbaren Bezug zur Architektur vor einer der Stirnwände des Gebäudes. Sie sind von allen Seiten her gut sichtbar, ohne den Platz abzugrenzen und ohne als optische Barriere zu wirken.

– Die EISENSTEINE schließlich sind nicht nur optische Akzente, die das Erscheinungsbild des Platzes prägen, sondern sie prägen auch seine Funktion. Die Steine selbst sind benutzbar, und zwar als Sitzgelegenheit, als Kletterobjekt, als Sprungbasis. Sie sollen die Bewohner des Viertels anregen, sich mit ihnen zu beschäftigen:
sich darauf auszuruhen – sich an sie anzulehnen – auf ihnen zu klettern – über sie zu springen – sich auf sie zu setzen…

Die Bepflanzung soll auf die Tatsache, daß der Platz eine offene, überall begehbare organische Einheit bildet, Rücksicht nehmen. Die Pflanzen sollen keine Begrenzungen oder Barrieren bilden, sondern sich als plastische Elemente in der Gestaltung des gesamten Platzes einfügen. Es sind robuste, relativ anspruchslose und im Schatten der Kastanie überlebensfähige Pflanzen vorgesehen. Der Übergang von Bepflanzung und Pflasterung soll fließend und organisch sein; auch hier ist der Grundgedanke „Integration statt Abgrenzung“.

Die Erfahrung mit einer auf einem Platz in Gelsenkirchen aufgestellten Skulpturengruppe zeigt, daß die Objekte von der Bevölkerung nicht nur akzeptiert, sondern in der gerade beschriebenen Weise (insbesondere natürlich von Kindern und Jugendlichen) angenommen werden, daß sie also dazu anregen, einen Platz zu betreten, zu entdecken, zu erschließen, als Teil des Lebensumfeldes zu vereinnahmen.

Sandro Antal,  Volker Beindorf

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Eisensteine bilden ein noch verhältnismäßig junges Motiv im komplexen Oeuvre Sandro Antals, sind aber, wird die Gesamtentwicklung seines Werkes zurückverfolgt, in vielerlei Hinsicht Ergebnisse konsequent verfolgter und betriebener Linien. Zum einen ist das Material, das Eisen und der Stahl, dem Plastiker von Anfang an ureigene Ausdrucksform, fasziniert ihn in der ganzen Vielschichtigkeit physikalischer wie assoziativer Aspekte. Die erdgeeschichtliche Herkunft des Erzes ist dabei ebenso relevant wie die transformatorischen Prozesse seiner Gewinnung über die Verhüttung und formschaffende Verarbeitung bis hin zur Einleitung unmerklich langsam sich vollziehender Korrosion, einer Oberflächenbildung, deren Charakter nicht minder edel als die feinste Bronzepatina erscheint. Zum anderen lösen die im künstlerischen Akt gefundene Grundform und ihr jeweilige Einbettung in wechselnde Umgebungsräume ein spannungsreiches Beziehungsgeflecht zwischen ruhenden und bewegten Momenten, zwischen lastenden und scheinbar schwerelosen Eigenschaften aus, die sich dem Betrachter dieser Orte mitteilen.

Der Ort ist SandroAntal stets verpflichtende Ausgangsposition seiner Konzepte, mit ihm und in ihn hinein schöpft er das plastische Ensemble. Im Gegensatz zu andersgearteten Ansätzen zeitgenössischer Freiraumgestaltung unter künstlerischem Impetus geht es ihm niemals um eine Konterkarierung vorgefundener Situationen, geschweige denn um den bloßen Effekt einer artistisch erzielten Überraschung. Zwei größere Arbeiten der vorangegangenen beiden Jahre erlauben den Vergleich. Dominierte in Gelsenkirchen die Rolling Sun als dynamisches Motiv ein Szenario, dessen Eisensteine sich als sedimentäre Zeugnisse einer urgeschichtlichen Verschiebung kontinentaler Erdoberflächen erahnen lassen, wird das Duisdorfer Projekt eher von der Assoziation eines Himmelereignisses geprägt. Sind es auch jüngste, aufsehenerregende Beobachtungsergebnisse, der Einschlag von Kometentrümmern auf dem Jupiter, die eine solche Gedankenbrücke noch stützen?

Sandro Antal jedenfalls hat den Ort wiederum als Determinante seiner plastischen Installation begriffen und ihn – hierin einen Schritt über den Gelsenkirchener Ansatz hinausgehend zugleich nachträglich als Vorgabe für die dort angesiedelte Architektur akzentuiert. Ausgehend von einem erst unlängst hierhin verpflanzten, hochstämmigen Baum und einer nachträglich modellierten Hangsituation galt es, dieser keineswegs unproblematischen Begegnung von weitgehend naturhafter bzw. architektonisch präzise formulierter Topographie ein gewissermaßen auch historisch legitimierendes Bindeglied einzuschreiben. Die Eisensteine vermögen diesem Anspruch in der getroffenen Wahl ihrer Anordnung, ihres differenzierten Verhältnisses zu den erwähnten Freiraumkomponenten einschließlich der Straßen- und Wegesituation in vollkommener Weise gerecht zu werden. Ein einzelner schon bestimmt die Ausdehnung baulicher Kubatur, ruht er doch vor deren Ecke, andere wiederum fixieren Höhenpunkte der Gefällesituation oder limitieren den möglichen Lauf von Wegen. Teils dem Boden aufliegend, teils leicht in ihn einsinkend, behaupten sie sowohl die Selbstverständlichkeit ihrer Präsenz als auch die vorgeblich historische Dokumentation ihrer Erscheinung eben dort. Eine urtümliche, außerhalb menschlicher Zeitvorstellung existente Landschaft entstand hier, zum Zeugnischarakter erdgeschichtlicher Vorgänge kommt die Spurenaufdeckung gewaltiger kosmischer Bewegungen hinzu.

Wer Sandro Antal schaffend erlebt, wird stets an das mythologische Bild des Schmiedes Hephaistos erinnert werden. In diesem Fall trat der Autor ganz hinter sein Werk zurück, läßt er dessen Genese doch assoziativ durch übermenschliche Kräfte unvorstellbarer Stärke und Ausstrahlung vollbringen. Es ist auch wohl diese ihm eigene Bescheidenheit, die Sandro Antals Umgang mit der Natur und künstlerischer Arbeit immer wieder in diesen hohen Grad einer Homogenität des Ergebnisses münden läßt. Das Duisdorfer Eisensteine-Projekt ist ein neues Zeugnis besonderer Schöpfersensibilität, dem hoffentlich noch zahlreiche folgen werden.

Bernd Ernsting